"Gott nahe zu sein ist gut für mich ..."  Psalm 73,28




 

Auszeiten - Predigt über Markus 6,30-34 beim Abendgottesdienst
Bald sind Sommerferien! Bald beginnt für viele die Urlaubszeit! Endlich Zeit zum Ausschlafen, zum Baden oder zum Faulenzen, mit anderen Worten: endlich Zeit für alles, was sonst zu kurz kommt und was Freude macht. Urlaubszeit ist Reisezeit. Vor dem Aufbruch aber geht’s ans Kofferpacken. Und da fängt meist wieder der Stress an! Was nehme ich bloß mit? Klar, die Badehose und die Taucherbrille, die Wanderschuhe und das Lieblings T – Shirt  dürfen nicht fehlen. Aber müssen denn Laptop und Smartphone unbedingt mit? Früher hätte ich gesagt, nein. Die können auch mal in der Schublade bleiben. Aber bei dem Smartphone bin ich mir nicht mehr sicher. Es hat sich so fest mit mir und meinem Leben verbunden. Ich nütze es nicht nur zum Telefonieren, sondern auch zum Bücherlesen, zum fotografieren, ich versende Urlaubsgrüße per WhatsApp.  Also, das Smartphone muss mit. Keine Frage. Aber es gibt dort ja inzwischen auch die Nicht-Stören Funktion. Die sollte dann doch wenigstens aktiviert sein.
Können Sie sich noch vorstellen, wie das früher war? Ich denke immer wieder gern an die Urlaubsreisen in meiner Kindheit zurück. ich geb es gerne zu. Obwohl früher auch nicht alles besser war. Ich war im Auto eine Nervensäge. „Wann sind wir endlich da?“ Mit dieser nörgelnden Frage bin ich meinen Eltern gehörig auf die Nerven gegangen.. Allerdings war die Fahrt nach Italien mit einem Auto ohne Klimaanlage und mit einer Höchstgeschwindigkeit von gerade mal 100 Stundenkilometern schon eine Herausforderung, denn Staus gab damals auch schon. „Schau mal, unser Auto ist eine Dampflok“, rief ich einmal, als  auf dem Brenner, nicht auf der Autobahn, weißer Qualm aus dem Kühler aufstieg. Dann mussten wir halt machen. So lernten wir, wie Geduld haben geht. Auszeit. Nicht erreichbar sein. Vielleicht war das damals, ohne Handy, etwas einfacher. Auf dem Campingplatz gab es zwei oder drei Telefonzellen. Ferngespräche aus dem Ausland waren teuer. Man hat sich gut überlegt, was man sagt und sich kurz gefasst.  Einmal in der Woche haben wir die Großeltern daheim angerufen, abends natürlich, weil es da billiger war. Wir brauchten Geduld zum Telefonieren. Wir waren nicht die einzigen, die abends angerufen wollten. Das bedeutete, warten, bis die Telefonzelle frei war. Es hat uns nichts ausgemacht, weil wir es nicht besser wussten. So ging analoges Leben.  Wir haben Karten gespielt oder uns Geschichten erzählt. Kopfkino statt Netflix.
Optimierung und Zeitmanagment. Dazu werden heute Kurse angeboten, Dort lernt man, wie man seine Zeit einteilt. Wir hatten früher einfache Hilfen. Eines davon war das Ladenschlussgesetz. Die Geschäfte schlossen um 18.00 Uhr und samstags meist schon um 13.00 oder 14.00 Uhr. Das musste man wissen, wenn man nicht gerade eine Fastenkur für das Wochenende angesetzt hat. Viele Leute klagen über Einschlafstörungen. Sie suchen Therapeuten auf, die ihnen sagen, dass man sich gesund ernähren, abends keinen Kaffee mehr trinken und einen gesunden Lebensrhythmus pflegen sollte. Auch sollte man sich möglichst keine aufregenden oder aufwühlende Sendungen mit stroboskopischen Effekten oder gewalttätigen Inhalten anschauen. Bei drei öffentlich rechtlichen Fernsehprogrammen war diese Gefahr gering. ARD, ZDF und vor allem der Bayrische Rundfunk haben dafür gesorgt, dass der deutsche Michel rechtzeitig und unaufgeregt ins Bett geht.  Spätestens ab 24.00 Uhr war Sendeschluss, danach konnte man das Testbild in Farbe bewundern. Ich will vergangene Zeiten nicht verklären, ich möchte sie auch auf keinen Fall zurück haben, trotzdem denke ich mir, dass weniger mehr ist. Weniger Möglichkeiten zur Zerstreuung bedeutet auch, mehr Zeit für Schlaf, für Ruhe, für Gespräche, für die Familie, für das wirkliche Leben, nicht das virtuelle.
Ständig am Rad drehen, ständig online und präsent sein, ständig unter Strom stehen, etwas tun müssen, laugt uns aus.  Jesus hat seinen Jüngern jedenfalls eine Auszeit verordnet. In einer „Randnotiz“ berichtet der Evangelist Markus, wie Jesus seine Jünger in die Ferien schickt. Wir haben sie vorhin gehört. Er sagte zu den Aposteln: Geht ihr allein an eine einsame Stätte und ruht ein wenig. Denn es waren viele, die kamen und gingen und sie hatten nicht Zeit genug zum Essen. Und sie fuhren an eine einsame Stätte für sich allein.
Allerdings haben die Jünger die Rechnung ohne den Wirt gemacht, gemeint sind die Menschen, die es nicht verstehen konnten, dass auch die Apostel einmal Erholung brauchten.  Als sie gesehen hatten, wie die Jünger ins Boot stiegen, um loszusegeln, sind sie ihnen einfach hinterhergereist, auf dem Landweg. Mir reist zwar niemand hinterher. Wenn ich aber doch mal im Urlaub in mein Mailpostfach schaue, so wie viele das machen, fühle ich mich danach nicht so besonders. Der Alltag hat mich dann doch wieder eingeholt. Und das ist einfach nicht gut im Urlaub.
Zur Ruhe kommen, vielleicht müssen wir das wieder neu lernen.
Wagen wir es, wagen wir das Projekt  "Sei mal Off-Line.“ Und haben wir dabei kein schlechtes Gewissen. Wir müssen nicht immer erreichbar sein. Ja, ich behaupte sogar, Gott will, dass wir gelegentlich für andere Off-line sind, damit wir wieder zu uns selbst und dann auch zu ihm finden. Wir sollen es sogar. Damit wir nicht vergessen, was wir sind. Menschen, von Gott gut geschaffen und durch und durch geliebt. Amen.
© Pfarrer Stefan Köttig, 21.7.2024